Drei Mal im Jahr erscheint unser Veranstaltungsprogramm, das "Gelbe Info".
Gesprächsthemen des Meditationskreises:
3.5. + 24.5.02023: Wir sprechen über Texte aus dem Buch ‘Einfach miteinander' von Thich Nhat Hanh (UN)
3.5.23.: Kollektive Intelligenz
24.5.23: Das Sitzen genießen
3.5. + 7.6. + 5.7. + 2.8.02023: Geführte Meditation (MF/SM)
Die 2. Phase unserer Sitz-Meditation wird durch das Vorlesen kurzer Sätze ergänzt, die sich mit der Ein- & Ausatmung verknüpfen lassen.
31.5. + 28.6. + 26.7. + 30.8.02023: Tee & Gespräch
Während wir ein vorbereitetes Getränk (z. B. Tee) trinken, sprechen wir über unsere Erfahrungen mit dem Leben und dem Meditieren.
10.5.02023: Hat das Leben einen Sinn? (MF)
Wir sprechen über die Antwort der Klima-Aktivistin Luisa Neubauer auf diese Frage (siehe Seite 6 in diesem Info).
17.5.02023: Erdberührungen (SM)
Untermalt mit einem Text aus "Liebesbrief für die Erde" von Thich Nhat Hanh.
7.6.02023: Buddhismus: Religion - oder doch nicht? (TS)
Wir sprechen über einen kurzen Text von Stephen Batchelor ("Was lehrte der Buddha und was haben nachfolgende Gemeinschaften daraus gemacht?")
21.6.02023: "Was ich wirklich brauche:" (MF/SM)
Unter diesem Motto beteiligen sich diverse Achtsamkeits- und buddhistische Gruppen am 3.6. an einer Geh-Meditation durch die Innenstadt von Hannover.
5.7.02023: Die fünf Betrachtungen (MF)
Wir lesen und besprechen fünf Betrachtungen zum Essen, die in vielen Gemeinschaften von Thich Nhat Hanh vor dem Essen rezitiert werden.
12.7.02023: Die 2. Achtsamkeitsübung (MF/SM)
9.8.02023: Die 3. Achtsamkeitsübung (MF/SM)
Wir lesen & besprechen je eine der fünf buddhistischen Silas ('Lebensregeln').
19.7.02023: Nachdenken über den Tod ist ein weiser Weg, um zu leben (KP)
Wir lesen und besprechen einen kurzen Text von Noah Rasheta.
2.8.02023: Entstehen und Vergehen (MF)
Wir besprechen ein Zitat von "Ovid" aus der "Römerzeit" (s. Seite 6 im Info).
16.8.02023: Tiefenentspannung (SM)
Untermalt mit einem Text aus dem Buch "ZEN and the art of saving the planet" von Thich Nhat Hanh.
23.8.02023: Aus Liebe zur Erde (PK)
Wir lesen einen Abschnitt aus dem Buch 'Koji - Wie ein Naturvolk unsere moderne Welt inspiriert' von Lucas Buchholz.
Unser Meditationskreis trifft sich jeden Mittwochabend um 19.30 Uhr im Umwelthaus Oldenburg (PFL-Kulturzentrum, Peterstr. 3; Zugang über den kleinen Innenhof auf der PFL-Rückseite). Hinsichtlich der Corona-Pandemie empfehlen wir, sich den individuellen Einstellungen entsprechend zu schützen.
Eine digitale Teilnahme ist weiterhin möglich. Sie wird vom Umwelthaus aus „gehostet“. Auf diese Weise kann auch an den Gesprächen teilgenommen werden. Die Zugangsdaten sind hier auf der Webseite zu finden.
!! Achtung: Ein Passwort ist nötig (wird nach Anfrage zugemailt) !!
Für viele Abende sind Gesprächsthemen vorbereitet. Der 1. Mittwoch im Monat enthält in der 2. Sitzphase oft eine geführte Meditation; der letzte Mittwoch ist für Gespräche über spontan entstehende Themen vorgesehen.
„Achtsamkeit in Oldenburg e.V.“ ist ein gemeinnütziger Verein. Spenden (steuerabzugsfähig) sind möglich auf das Konto der Oldenburgischen Landesbank DE19 2802 0050 1223 3540 00 (IBAN), OLBO DE H2XXX (BIC). Herzlichen Dank.
Vortragsabend und Seminartag mit Manfred Folkers im Meditations-Zentrum 'Bhavana Vihara' in Riethausen bei Bruchhausen-Vilsen.
Infos und Anmeldung: bhavana-vihara.de; 04251-671716
Fünf Nonnen und Mönche aus der Plum Village-Tradition von Thich Nhat Hanh sind auf Deutschland-Tournee und machen auch Halt in Hamburg.
Für die Veranstaltung stehen jeweils 80 Plätze zur Verfügung - um Anmeldung wird gebeten.
Anmeldung und Kontakt: friedenleben@intersein-hamburg.de
Homepage: https://intersein-hamburg.de/frieden-leben
Die Veranstaltungen finden auf Spendenbasis statt.
'Was ich wirklich brauche:' - Unter diesem Motto werden einige Meditations- und Achtsamkeits-Gruppen durch die Hannoveraner Innenstadt gehen. Weitere Infos ab Mitte Mai: www.buddhismus-deutschland.de/ag-umwelt
Wochenendseminar mit Manfred Folkers im EIAB in Waldbröl mit Manfred Folkers
Umrahmt von Achtsamkeits- und Entschleunigungs-Übungen werden wir den fragilen Zustand der gegenwärtigen Lebensweise mit drei Einsichten des Buddha untersuchen: Wandel, Intersein und Nicht-Angst.
Wir werden herausfinden, wie diese Erfahrungen helfen können, unser Leben im Einklang mit der Natur als Kür und Ernte zu gestalten: grundsätzlich verbunden fühlen, behutsam handeln, maßvoll konsumieren, intellektuell aufrichtig kommunizieren, bewusst integer und zufrieden sein …
Kurs-Nr. K2339-4. Infos: www.eiab.eu/termine?action=ShowDetails&id=96f4e121-70af-11ed-8d7b-fe08df3aa0f4
Wochenendseminar mit Dr. Annette Saager & Stephanie Marquardt im EIAB in Waldbröl.
Geschichten, die wir von anderen hören und die, die wir uns selber erzählen durchdringen unser Leben und bestimmen oft unsere Gefühlswelt.
Auf diesem Retreat werden wir 2 Geschichten lesen und tiefes Zuhören üben um zu schauen, wie sie in uns resonieren und was sie anregen, auch angeschaut durch die besondere Linse des Dharmas.
Eine andere Art in die Tiefe zu hören und mit uns in Verbindung zu kommen ist, Geschichten selber zu schreiben:
Im Gegensatz zu den Geschichten denen wir in unserem täglichen Leben ausgesetzt sind, können wir uns beim Schreiben mit dem Inhalt aktiver auseinandersetzen und daraus tiefe Einsichten gewinnen.
Wir werden in kleinen Schreibmeditationen schauen, welche Geschichten in uns lebendig werden und einen Ausdruck suchen.
Geführte und stille Sitzmeditation, sowie Gehmeditation , leichte Körperübungen aus dem Qi Gong, Tiefenentspannung und achtsamen Austausch sind außerdem fester Bestandteil dieses Seminarwochenendes.
Kurs-Nr. K2342-5. Infos: www.eiab.eu/termine?action=ShowDetails&id=05acb39f-7262-11ed-8d7b-fe08df3aa0f4
Die von Doris Kirstein, Gerd Schnesche und Manfred Folkers angeleiteten öffentlichen Übe-Stunde gehen in die 30. Saison …
Zum 21. Mal wandern wir von Schillig durchs Watt zur Insel Minsener Oog - auch diesmal wieder mit der Wattführerin Christiane Ketzenberg. Wir fahren ca. 10:30 Uhr ab Oldenburg und sind spätestens um 17.00 Uhr zurück. Genauere Infos ab Juli: www.achtsamkeit-in-ol.de
Geh-Meditation ist schweigendes Gehen in der freier Natur. Langsam ausgeführte Schritte erleichtern es, die eigene Atmung wahr zu nehmen. Diese Achtsamkeit ermöglicht ein ruhiges und konzentriertes Genießen der Umgebung und der Gemeinschaft. Der Damm des Haaren-Sperrwerks ist für dieses Vorhaben sehr gut geeignet, denn auf ihm gibt es einen festen und trockenen Weg, der vom Stausee zunächst in einen Wald und anschließend in die ‘offene Weite‘ eines Wiesenbereichs führt. Zwei kleine Steh-Meditationen während der gut 60-minütigen ‘Wanderung‘ werden helfen, die Stille dieses Ortes noch intensiver zu ‘hören‘.
Treffpunkt: Vor 15.00 Uhr am kleinen Parkplatz an der Straße vom Woldsee zur Woldlinie (Straße nach Petersfehn). Von dort geht's dann zu Fuß 150 m stromaufwärts zum Haaren-Sperrwerk. Eine Anreise per Fahrrad wird empfohlen. Wer mag, kann sich für eine gemeinsame Radanfahrt bis 14.00 Uhr am Umwelthaus (Rückseite PFL) einfinden.
Eine Voranmeldung ist erwünscht (hier klicken), aber nicht erforderlich. Bitte rechtzeitig kommen. Bei Regen Schirm mitbringen. Die Teilnahme ist kostenfrei. Spenden sind möglich.
Ein kontinuierliches Üben meditativer Methoden wie Taijiquan, Qigong und Zazen fördert Fähigkeiten wie Entschleunigung und Achtsamkeit. Manfred Folkers zeigt anhand seines eigenen Werdegangs, wie diese Praxis die eigene Verabredung mit dem Leben intensiviert und dazu anregt, den aktuellen Zustand und die Perspektive der gegenwärtigen Lebensweise genauer zu untersuchen. Danach können unsere Künste dazu beitragen, dass wir uns an der Bewältigung der anstehenden Umwälzungen mutig, mitfühlend und integer beteiligen können. Hierfür stellt er entsprechend dem buddhistischen “Edlen Achtfachen Pfad“ acht Punkte zur Diskussion, die Unterstützung bieten, um den Irrweg der Wachstumsökonomie zu verlassen.
Als ich vor über 40 Jahren an einem Taiji-Workshop teilnahm, ahnte ich nicht, dass ich erstmals den Griff einer Tür berührte, die mir Zutritt in eine andere Weltsicht ermöglichen würde. Einige biografische Kurven und zwei lange Asienreisen später durchschritt ich Mitte der 80er-Jahre diese und weitere Türen mit Aufschriften wie Qigong, Zen-Meditation und östliche Weisheitslehren.
Mit Hilfe dieser Praktiken und deren Grundlagen gelangte ich zu Erfahrungen und Einsichten, denen ich bis dahin voreingenommen begegnet war, indem ich sie in Schubladen wie Religion, Esoterik und Innerlichkeit gesteckt hatte. Auf diese Weise hatte ich eine ergebnisoffene Entwicklung meines Geistes und eine tiefgründige Betrachtung der gesellschaftlichen Wirklichkeit behindert.
Bei all diesen Übe-Angeboten war mein Einstieg von Neugierde und Vorsicht geprägt, denn er fand in einer Zeit statt, als sich die immer noch kommunistisch nennende Diktatur in der Volksrepublik China gerade für eine staatlich gepuschte kapitalistische Wachstumswirtschaft entschieden hatte. Dazu gehörte auch der verstärkte Export kultureller Errungenschaften wie Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und heilgymnastische Bewegungsformen.
Schwerpunkt Meditation
Einige dieser Übungen begegneten mir zunächst mit Titeln wie ‘Atem und Bewegung‘, ‚Acht Brokate‘, ‘Fünf Tiere‘ und ‘Fünf Elemente‘; sie wurden nun mit dem Ober-Begriff ‘Qigong‘ zusammengefasst. Im Bereich Taijiquan wurde der Pekingstil propagiert, den ich bald durch den ‘Alten Yang-Stil‘ ersetzte. Die TCM erreichte mich nicht, da sie für einen bodenständigen Friesen wie mich zu viele konzeptuelle Vorannahmen enthielt. Und der Zugang zur gleichzeitig aus Japan importierten Übung ‘Sitzen in Stille‘ (Zazen) gestaltete sich holprig, da die Angebote rar waren und ich zunächst in eine falsche Richtung geschickt wurde (‘Meditieren heißt, nicht zu denken‘).
Meine Qigong-Praxis entwickelte sich zügig von ungewohnt in Freude. Sie wurde intensiviert durch die Aussicht, Qigong und Taijiquan unterrichten zu dürfen, was jedoch einige Vorentscheidungen erforderte. Eine davon lautete: Eine hauptberufliche Tätigkeit kam nicht in Frage. Das Üben sollte zum Kür- und nicht zum Pflichtprogramm meines Lebens gehören. Außerdem stand ich der Förderung des Qigong durch das Gesundheitssystem sehr skeptisch gegenüber. Dieser institutionelle und kommerzielle Einfluss verfälschte sowohl die inhaltliche Ausrichtung dieser Methode als auch die Art der Vermittlung.
Entsprechend ernst nahm ich den Titel des Qigong-Standard-Werks ‘Das Tao der Selbstheilung‘ von Josephine Zöller (Ullstein 1984). Das Motiv Gesundheit bildete für viele Teilnehmende zwar den Anlass, dieses System zu testen, aber meine Kurs-Stunden blieben weitgehend frei von medizinischen oder therapeutischen Erörterungen. Die Erarbeitung und Bewertung dieses Aspektes überließ ich den Übenden. Einerseits weil Gesundheit letztlich eine individuelle Angelegenheit ist. Andererseits ließen sich die Wirkungsrichtungen der Übungen mit dem System der westlichen Medizin wesentlich überzeugender erläutern als mit den Begriffen und Konzepten der chinesischen Heilkunst. Und nicht zuletzt wiesen sowohl der Untertitel des Zöller-Buches (‘Meditation in Bewegung‘) als auch der Titel des 1963 erschienenen Klassikers von Stephan Pálos ‘Atem und Meditation‘ (O. W. Barth) direkt auf den eigentlichen Kern dieser Methode hin: Meditation.
Für mich ergab sich der Kontakt zu dieser Essenz - auch beim Taiji und Zazen - wie von selbst durch eine Praxis, die im Grunde aus der verlangsamten und konzentrierten Wiederholung von immer gleichen Bewegungen bestand, wobei für deren Wirksamkeit das wahr nehmen der Ein- und Ausatmung ausreichte. Dieses Vorgehen führte allmählich zur Pflege einer Fähigkeit, der ich vorher kaum Aufmerksamkeit geschenkt hatte: Entschleunigung. Diese wiederum führte zur Vertiefung der bewussten Annahme der eigenen Präsenz; eine Einstellung, die sich mit dem Begriff ‘Achtsamkeit‘ gut überschreiben lässt.
Einswerden mit dem DAO
Die gleichen Schwerpunkte zeigten sich im Methoden-System Taijiquan. Zwar suggerierte der deutsche Begriff ‘Schatten-Boxen‘ einen Kampfaspekt, aber einige Übersetzungen der Silben ‘Quan‘ und ‘Taiji‘ deuteten in eine ganz andere Richtung: ‘Kraft des Firstbalkens‘ bzw. ‘Kunst des Höchsten Letzten‘. Da ‘Taiji‘ gleichgesetzt werden konnte mit dem Begriff ‘Dao‘, ergab sich ein wundervolles Bild, um ihn zu veranschaulichen: Der letzte höchste Balken eines aus einer Yin- und einer Yang-Hälfte bestehenden Daches - dieser Firstbalken ist das Taiji bzw. Dao, das Yin und Yang miteinander verbindet.
Vor diesem Hintergrund war klar, dass die Dimension Kampf in meinen Kursen und beim eigenen Üben durch Aspekte wie Bejahung und Miteinander ersetzt wurde. Wie beim Qigong entwickelte sich die meditative Dimension auf natürliche Weise, weil die Praxis ganz einfach ‘auf den Geist ging‘. Die für die Verlangsamung notwendige Bewusstheit und die spürbare Stille in den Bewegungen wirkten nach innen und offenbarten eine Perspektive, die Toyo und Petra Kobayashi im Untertitel ihres Buches ‘T’ai Chi Ch’uan‘ (Hugendubel 1989) genannt hatten: ‘Einswerden mit dem Tao‘.
Genauso klar war allerdings auch, dass Dao mit den Worten ‘Firstbalken‘ und ‘Eins-Sein‘ nicht zu erfassen war. Gleichzeitig war Dao als Weg und Ziel attraktiv genug, um es zumindest einzukreisen zu wollen.
Als wichtiger Schritt erwies sich der Vergleich des Konfuzianismus mit dem Daoismus, was wegen der Vermischung dieser Seinslehren in der chinesischen Kultur nicht einfach war. Als sich der konfuzianische Ansatz jedoch als Beherzigung von historisch gewachsenen Regeln zusammenfassen ließ, war eine Bevorzugung der daoistischen Variante möglich, indem ich der Einsicht des Philosophen Karl Jaspers folgte: ‘In des Menschen Tiefe ruht die Möglichkeit eines Mitwissens mit dem Ursprung‘ (‘Die großen Philosophen‘; Piper 1957; S. 910).
Diese Ausrichtung war eine erste Antwort auf eine zentrale Frage, die sich in meiner meditativen Praxis entwickelt hatte: ‘Womit beschäftigt sich mein Geist, wenn er zur Ruhe kommt?‘ Er betrachtet alle Kontakte mit der Welt und dem Leben. ‘Der Mensch‘ - so erläutert Wikipedia die Essenz des daoistischen Quellentextes Daodejing - ‘vermag sich mit dem Dao in der Stille und Selbstbesinnung zu verbinden. Dann offenbaren sich ihm alle Erscheinungen in ihrem wahren, unverfälschten Wesen‘. Als Motiv für diese Aufgabe half mir die Überlegung: ‘Wer den Weg (Dao) als Mensch in aller Ruhe tief erforscht, wird alles finden, was das Leben liebenswert macht und für eine verantwortungsvolle Gestaltung einer freien und solidarischen Gesellschaft nötig ist‘.
Einerseits wiesen derartige Einsichten erneut darauf hin, wie notwendig und fruchtbar zugleich meditative Praktiken sind. Andererseits zeigte sich hier eine Übereinstimmung mit einer anderen in China verbreiteten Seinslehre: Das Dharma des Buddha. Dieser hatte schon vor 2.500 Jahren als Ergebnis einer tiefen Innenschau konstatiert, dass der ‘mit Wahrnehmung und Bewusstsein versehene menschliche Körper die Entstehung der Welt, die Aufhebung der Welt und den zur Aufhebung führenden Pfad enthält‘(Anguttara-Sutra IV. 45).
Die Ursachen von Leid und Krisen entdecken
Ähnlich wie der Daoismus schaute sich Buddha die Lebenswirklichkeit des einzelnen Menschen direkt an, um die sich aus der intensiven Erfahrung von Wandel, Verbundenheit und Stille (im Sinne von Leerheit und innerem Frieden) ergebenden ethischen Konsequenzen zu konkretisieren. Indem die Suche nach den Hintergründen der leidhaften Aspekte des Lebens zur zentrale Aufgabe seiner Lehre wurde, identifizierte der Buddha deren Ursachen in drei Motiven, die er als ‘Geistesgifte‘ bezeichnete: Gier, Hass und Verblendung.
Da ich schon vor 40 Jahren weniger unter den Hindernissen eines individuellen Lebens und seiner begrenzten Dauer litt als unter den ökologischen Problemen, den gesellschaftlichen Widersprüchen und der nicht enkeltauglichen Perspektive der angesagten Lebensweise, lag es nahe, Buddhas Vorgehen auch für eine Analyse dieser Miseren anzuwenden. Tatsächlich ließen sich diese unheilsamen Antriebskräfte auch als eigentlicher Ursprung vieler großen Krisen erkennen.
Denn durch ihre rigorose Ausbeutung der Biosphäre hat die Menschheit eine Kultur entwickelt, die diese Leid verursachenden persönlichen Motive gesellschaftlich abbildet. Verlangen und Festhalten (mehr haben wollen) verwirklichen sich als Wachstumsdogma - vor allem im wirtschaftlichen Bereich; Gegeneinander und Vereinzelung (mehr als andere haben wollen) manifestieren sich als Konkurrenzprinzip und als Leitbild des Sozialverhaltens; Selbstüberhöhung und Ignoranz (Folgen nicht wahr haben wollen) zeigen sich als Bagatellisierung oder gar Leugnung der Auswirkungen dieser Handlungsweisen. Dieses auf einen Kollaps zueilende Hamsterrad lässt sich als ‘Gier-Wirtschaft‘ bezeichnen, wobei sich China inzwischen zur Speerspitze dieses Untergang-Systems gemausert hat.
Auf acht Pfaden zur Kür und Ernte
Diese Analyse veränderte meine Weltsicht und führte zu einer Umgestaltung meines persönlichen Alltags in Richtung Entrümpelung, Mitgefühl und Gleichmut. Dabei entstanden Überlegungen, die möglicherweise auch für andere hilfreich sind bei ihren Bemühungen, den Holzweg ‘Wachstums-Ökonomie‘ zu verlassen und die ich deshalb hier zur Diskussion anbieten möchte. Geordnet sind sie nach dem ‘Edlen Achtfachen Pfad‘ des Buddha-Dharma, was aber nicht bedeutet, dass sie vollständig oder gar allgemeingültig sind.
1. Ansicht. In Ostasien sind die zehn Ochsenbilder bekannt. Ein Hirte sucht, findet und zähmt einen Ochsen. Indem er den Ochsen, die Suche nach ihm und schließlich sich selbst vergisst, geht er ein in eine leere und offene Weite. Mit dem verinnerlichten Wissen dieser grundsätzlichen Verbundenheit (Intersein) kehrt er gleichmütig und zufrieden zurück in die profane Welt der Individualität und der Zusammenarbeit, um sich an ihrem Verlauf zu beteiligen.
2. Entschluss. Menschen können Dinge tun oder lassen. Sie können abwägen, auswählen und sich entscheiden. Eine Verknüpfung von Vernunft und Handeln bzw. von Spiritualität und Engagement ist heutzutage wichtiger denn je. Darüber hinaus ist die gegenseitige Befruchtung von Geisteskraft und Aktion eine unerschöpfliche Inspirations- und Energiequelle.
3. Sprache. Worte, Begriffe und Geschichten sind die Formen, mit denen sich bewusste Wesen verständigen. Im Medienzeitalter sind Wächter an den Sinnestoren nötig, um die Flut der Bilder, Fakten und Meinungen zu sortieren. Um intellektuell aufrichtig zu sein und zu bleiben, ist ein achtsamer Umgang mit Sprache unerlässlich. Außerdem ist zuhören oft viel angebrachter als reden.
4. Handeln. Leben findet immer im gegenwärtigen Augenblick statt. Nur hier und heute ist handeln möglich. Der Erhalt der Lebensbedingungen ist essenziell. Zukunft und Enkeltauglichkeit sind jetzt. Angesichts der globalen Bedrohungen ist es nötig, jegliches individuelles Agieren mit großem Denken zu begleiten.
5. Lebensweise. Alle Menschen sind beteiligt an einem Irrweg. Sie haben ihre eigenen Widersprüche zu erkennen. Diese Einstellung ist die Voraussetzung für eine Lösung. Als Alternative zur Gier-Wirtschaft bietet sich eine ‘Kultur des Genug‘ an. Es gilt, von einer Haltung der Zufriedenheit aus zu agieren, um sich mutig und integer an einer nachhaltig zukunftsfähigen Kultur zu beteiligen.
6. Bemühen. Der daoistische Begriff ‘Wuwei‘ bedeutet ‘absichtsloses Handeln‘ im Sinne von ‘spontan das Beste geben‘. Für Beteiligte an Krisen bedeutet dies, kein Vorbild, sondern Katalysator zu sein. Einfach machen. Ohne Absicht einen Weg zeigen - im Wissen, dass ihn letztlich alle selbst zu gehen haben.
7. Achtsamkeit. Sobald sich der eigene Geist bewusst ins Leben einmischt, wird eine gelassene Annahme aller Erfahrungen möglich. Achtsamkeit kann dann als eine Art Aufsichtsinstanz wirken. Ausgangspunkte sind die Wirklichkeit und die Einsicht, dass die Dinge vom Geist ausgehen. Erst er gibt ihnen Bedeutung.
8. Sammlung. Im Menschen nimmt sich das Leben wahr. Für diese Aufgabe werden Konzentration und Wachheit benötigt. Ohne Selbstüberhöhung, aber mit dem wissenden Gefühl einer vollständigen Verbundenheit lässt sich die eigene Anwesenheit in dieser Welt als eine Art Kunstwerk kreativ komponieren.
Mit einer meditativen Grundhaltung können diese acht Pfade als lebensbejahende menschliche Fähigkeiten verstanden und in einer Art Kür ausgefüllt werden. Im Einklang mit dem Dao verwirklichen sie sich dann als ein Prozess, der einer Ernte gleicht.
Mögen alle Menschen die Türen zu dieser Möglichkeit öffnen und sie als Glück erfahren, also wahr und ernst nehmen.
Dieser Text erschien im Taijiquan&Qigong-Journal Heft 90 - 4/2022
Frage der Zeitschrift “Chrismon“ (4.2022; S. 24) in einem Interview mit der deutschen Klima-Aktivistin Luisa Neubauer (“Fridays for Future“): “Hat das Leben einen Sinn?
Antwort von Luisa Neubauer: “Ja. Nicht zuletzt, weil wir Liebe spüren. Weil wir fähig sind, uns wild zu begeistern für Dinge und Menschen, die vergänglich sind. So lassen wir uns auch auf den Kampf gegen ökologische Katastrophen ein. Der könnte vergebens sein - aber wir tun es trotzdem, weil es diese kleine Chance gibt, dass es am Ende gut wird“.
Keines verbleibt in derselben Gestalt, und Veränderung liebend schafft die Natur stets neu aus anderen andere Formen. Und in der Weite der Welt geht nichts – das glaubt mir – verloren: Wechsel und Tausch ist nur in der Form. Entstehen und Werden heißt nur, anders als sonst anfangen zu sein, und Vergehen heißt nur, nicht mehr sein wie zuvor.
Noch wehren sich viele Menschen gegen die unbequeme Wahrheit, dass unsere Zivilisation auf einen Abgrund zusteuert. Die Corona-Pandemie ist nur ein Vorgeschmack, denn größere Krisen wie der Klimawandel und das Artensterben rücken näher. Sie entstehen aus dem zentralen Widerspruch unserer Zeit - dem Wachstumswahn auf einem endlichen Planeten. Dieses Dilemma lässt sich nur überwinden, wenn dessen Ursachen identifiziert worden sind.
Klar ist: Es waren Menschen, die diese Gesellschaftsform aufgebaut und mit ihren Motiven und Handlungen gestaltet haben. Es ist ihr „mehr haben wollen“, das sich zu einer Wachstumsdoktrin verfestigt hat. Es ist ihr gemeinsames und gleichzeitig trennendes Streben nach „mehr als andere haben wollen“, das sich nun als Wettbewerbs- und Konkurrenzdruck zeigt. Und von den ökologisch und sozial schädlichen Folgen dieses Vorgehens lenken sie sich mit der Befürchtung ab, ein Abweichen von diesen Wegen und Prinzipien sei erst recht katastrophal.
Vom Wachstumssystem ist keine Umorientierung zu erwarten, denn es sieht sich ohne Alternative. Diese Wirtschaftsform kann sich eine Ökonomie ohne Expansion und Konsumsteigerungen nicht einmal vorstellen. Bei ihrer Jagd nach Profit und Marktmacht ignoriert sie alle Warnungen und planetaren Grenzen. Ihr ist nie etwas genug. Statt Befriedigung zu finden sucht sie ständig nach Lücken und neuen Geschäftsfeldern oder wirbt für neue Wünsche und Trends.
Auswege aus dieser Sackgasse können deshalb nur von den einzelnen Menschen gefunden und beschritten werden. Als Teil des Problems sind sie auch Teil der Lösung. Solange sie den ökologischen Fußabdruck übertreten, sind sie kleine Motoren eines unheilsamen Prozesses. Sobald sie ihr Handeln an einer enkeltauglichen Zukunft ausrichten, arbeiten sie für eine heilsame Perspektive.
Die Corona-Krise weist auf die größte Hürde dieses Wandels hin. Die meisten Menschen sind zwar zu kurzfristigen Einschränkungen bereit, wenn sie danach zu den alten Gewohnheiten zurückkehren dürfen. Ein nachhaltiger Umschwung benötigt jedoch ihren festen Willen, die bisher ins Mehrungswesen gesteckte Kraft dauerhaft für eine Transformation einzusetzen. Im Idealfall sollte niemand zu einem Richtungswechsel gezwungen werden, sondern möglichst alle sollten diese Wende aus Überzeugung anstreben oder aus vollem Herzen wünschen.
Neue Motive braucht das Land, braucht die Wirtschaft, braucht jeder Mensch. Um sich vom Drang nach Mehrung zu befreien, bieten Ziele wie „genug ist genug“ und „all we need is less“ quantitativ überprüfbare Beweggründe an. Diese von Behutsamkeit durchdrungene Motivation ist flexibel und verhandelbar. Ihre Ergebnisse fallen unterschiedlich aus, weil die Erde groß, die Menschheit bunt und das „zu viel“ extrem ungleich verteilt ist.
Schwieriger auszutarieren ist der Inhalt der Motive für eine Kultur des Genug, da sie auf individuellen Erfahrungen, Einsichten und Entscheidungen beruhen. Wer sich freiwillig, überzeugt und rechtzeitig für eine soziale und ökologische Wende engagieren möchte, sollte allerdings offen sein für Anregungen aller Art.
Interessant und hilfreich sind zum Beispiel einige Überlegungen des Buddha, der vor 2.500 Jahren mit „Gier, Aggression und Verblendung“ ausgerechnet jene Antriebskräfte als Ursachen von menschlichem Leid identifiziert hat, die sich heutzutage als Wachstumsprinzip, Konkurrenzdenken und Folgenleugnung zu einer Art „Gier-Wirtschaft“ gemausert haben. Außerdem hat der Buddha einige einfache Praktiken für eine ausgewogene Lebensgestaltung vorgeschlagen.
Mit der Meditation empfiehlt er eine Übung, sich ganz und in Ruhe bewusst der Gegenwart zuzuwenden, um das Dasein als ständige Bewegung und die eigene Anwesenheit als existenzielle Verbundenheit mit dem Universum zu erleben. Wer sich derart willkommen weiß in dieser Welt, wird verantwortlich handeln und ohne Verzichtsgefühle einen - schon vom Buddha empfohlenen - „Mittleren Weg“ beherzigen, weil von einer grundsätzlichen Zufriedenheit aus gesehen „weniger“ eigentlich nur bedeutet: „anders“. Mit dieser Einstellung lässt sich auch in begüterten Regionen ein maßvolles Handeln verwirklichen, das sowohl Armut und Hunger als auch Überfluss und Verschwendung vermeidet.
Während der Corona-Krise lässt sich beobachten, welche Maßnahmen nötig und möglich sind, um das Leben von Menschen zu retten, die nah und sichtbar sind. Diese Anteilnahme wird durch die buddhistische „Liebende-Güte-Meditation“ auf alle lebenden und die noch nicht geborenen Wesen ausgedehnt, ohne auf Dürren, Fluten, Missernten, Epidemien und ähnliche Katastrophen zu warten. Dieses umfassende Mitgefühl führt nicht nur zu einem Protest gegen die Zerstörung der Mitwelt, sondern auch zu einer Aufforderung an die Politik, neben dem ganzen (Alltags-) Leben immer auch das Leben als Ganzes im Blick zu behalten, also global und enkeltauglich zu denken und lokal zu handeln.
Auf dieser Grundlage lässt sich eine Postwachstums-Gesellschaft aufbauen, in der soziale Absicherung, Gesundheit, Bildung, Kultur usw. nicht mehr vom Mehrungswesen abhängig sind. Mit diesem Konzept entsteht eine Lebensweise, die von Nähe und Fürsorge bestimmt wird und sich durch Teilen und Teilhabe, Haltbarkeit und Reparieren, Recycling und Naturschutz, Genügsamkeit und Grundsicherung, Gemeinwohl und Genossenschaften usw. auszeichnet.
Zentrale Kraftquelle für die kreative Überwindung des Wachstumswahns auf unserem endlichen Planeten und für die Gestaltung einer Kultur des Genug ist jedoch ein Ziel, das der Buddha dem Leben gab und ihm den Ehrentitel „der Erwachte“ einbrachte: „Wake up - wach auf!“, meinte er. „Schau Dir die Welt hier und jetzt unvoreingenommen und achtsam an. Und engagiere Dich.“
Beitrag von Manfred Folkers für einen Podcast des oekom-Verlags
zum Buch:
„All you need is less" Manfred Folkers / Niko Paech
Die Kultur des Genug aus ökonomischer und buddhistischer Sicht
(oekom verlag; 240 Seiten; 20 €; ISBN: 978-3-96238-058-8; März 02020)
„Achtsamkeit und Nachhaltigkeit sind in aller Munde. Sie sind die zentralen Pfeiler der modernen-Suffizienz-Bewegung, aber auch der Lehre des Buddha. Die Autoren loten aus, welche Potenziale diese Konzepte enthalten, um den Wachstumspfad zu verlassen und eine Kultur des Genug zu entwickeln.
„Achtsamkeit in Oldenburg e.V.“ ist ein gemeinnütziger Verein. Spenden (steuerabzugsfähig) sind möglich auf das Konto der Oldenburgischen Landesbank DE19 2802 0050 1223 3540 00 (IBAN), OLBO DE H2XXX (BIC). Herzlichen Dank.
Verein Achtsamkeit in Oldenburg e. V.
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Tel.: 0049 441 8850040
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